Unter dieser Rubrik möchte ich ein paar Texte eintragen, die mir mal ins
Auge gefallen sind. Die Urheber sind mir leider nicht bekannt.

Mit anderen Augen gesehen ....
(Von Mamamachmal)

16:37 Uhr
Schuhe an und meinen beiden Kindern schon mal gute Nacht sagen. Mama muss zu einem Termin. Papa schmeisst den Laden auch gut alleine. Mama schaut nachher noch mal rein, wenn sie wiederkommt. Ob ihr auch gut schlaft und zugedeckt seid.

16:42 Uhr
Raus aus der Haustür und ab zum Auto. Kalt ist es. Aber zum Glück nicht glatt auf den Strassen, wie es scheint.

16:44 Uhr
Ich starte den Motor und fahre über den Hof zur Bundesstrasse. Noch ein, zwei Autos, dann kann ich auf die Strasse rausziehen.

16:45 Uhr
Vor mir ein silberner Lupo. Er fährt recht weit am Fahrbahnrand.
Kurz vor der leichten Linkskurve berühren die Reifen den Grünstreifen, der Wagen rutscht auf dem matschigen Boden ein Stückchen  weiter nach rechts. Die Fahrerin reisst das Lenkrad ruckartig und viel zu weit nach links.

Oh nein, bitte bau jetzt keinen Unfall! Ich hab keine Zeit noch auf die Polizei zu warten, Zeugenaussage zu machen!
Sie reisst den Wagen wieder nach rechts in die Spur.
Puh, das war knapp. Komm ich doch noch pünktlich zum Termin!
In dem Moment reisst sie das Lenkrad wieder nach links, genau auf die Gegenfahrbahn.

Es gab keinen Knall, keine Geräusche, die man erwarten sollte bei einem Frontalzusammenstoß zweier Fahrzeuge.
Nur ein sanftes Knatschen  und Knirschen. Fast wie ein Seufzen.

Der Lupo schleudert herum und bleibt gegen die Fahrtrichtung stehen.
Ich mache den Warnblinker an und fahre auf den Seitenstreifen.
Ein Griff und mein Handy ist in meiner Hand, während ich aus dem Auto springe.
Noch während ich zu dem Lupo eile, schaue ich auf mein Mobiltelefon.
AUS !  ich hatte es vergessen wieder anzuschalten, bevor ich losfuhr.

Jetzt warten bis es gestartet ist und den Pin eingeben und auf Netz warten und - nein -

Es verwindet wieder in der Jackentasche.
Ich habe einen Tunnelblick, sehe nur noch das demolierte Fahrzeug vor mir. Ich habe keine Angst, bin nicht nervös,
seltsam klar sehe und  verstehe ich die Welt. Wie durch ein Rohr geschaut. Stück für Stück. Szene für Szene.
Während ich mich nähere, schaue ich durch die zersplitterte Windschutzscheibe.

Wo ist der Fahrer?? Da sitzt niemand!

Die Fahrertür ist offen.

So schnell kann doch niemand ausgestiegen sein? Ich bin doch sofort angehalten und ausgestiegen?
Wie viel Zeit mag vergangen sein seit dem Aufprall? Vielleicht 30 Sekunden?

Ein paar schnelle Schritte tragen mich rechter Hand am Fahrzeug  vorbei. Einige Meter dahinter liegt ein lebloser Körper auf dem nassen Asphalt.
Barfuss, ein einzelner Schuh daneben auf dem Grünstreifen. Auf dem Bauch liegend. Wie eine weggeworfene Puppe.
Lange dunkle Haare verbergen das Gesicht.
Das erste Glitzern von Blut erscheint unter dem Haar auf der Strasse.

Ich schaue hoch und sehe wie einige Menschen ein Stück entfernt  stehen und herüber schauen. Menschen, die auf ihren Fahrzeugen gesprungen sind. Doch unschlüssig scheinen, was zu tun ist.
“Ruft einen Notarzt! Sofort, sagt ihnen es gibt eine schwere Kopfverletzung”,
brülle ich hinüber, während ich die Haare der Frau beiseite schiebe und ihr Gesicht erblicke.
Eine junge Frau, sehe ich, noch keine 20 Jahre alt, die Züge erschlafft, die Augen leicht geöffnet.
Doch tot, gebrochen, keine Regung in ihrem Blick.

Die Blutlache wird grösser und breitet sich langsam weiter aus.
Seltsam hell ist das Blut. Gar nicht wie man es in Filmen sieht, denke ich mir. Es wirkt unecht.
Ich spüre, dass weiterhin Menschen um mich herum sind, aber nehme sie nicht wirklich wahr.
Sehe nur 2-3 Meter vor mir zwei Männer, die entsetzt herschauen.
“Was ist mit dem anderen Fahrzeug? Was ist mit den Leuten da drin? Los, gehen Sie da hin und kümmern
sich um die”, kommandiere ich sie weg.

Sie drehen sich um und eilen in die richtige Richtung, verschwinden  ausserhalb meines Sichtfeldes hinter dem zerstörten Fahrzeug.
Ich spreche die Frau an, tätschle ihre Wangen. “Hallo, hallo, hören Sie mich? Hallo”

Als ich versuche, sie auf die Seite zu drehen, merke ich, wie schwer so ein schlaffer Körper ist. Der Arm ist im Weg, und ich will ihr ja  nicht die Schulter auskugeln und ihr noch mehr Schmerzen bereiten!
Ich schiebe ihren Arm so nah es geht an ihren Körper und ziehe sie zu mir, neben mir erscheint die Silhouette eines Mannes.

“Packen Sie mit an! Ich schaff das nicht alleine!” brülle ich ihn an.
Er packt mit an und so lehnt sie dann an meinen Beinen. Woher kommt  das Blut? Ich hoffe irgendeine Wunde zu finden,
die ich abdrücken kann,  um die Blutung zu reduzieren.
Doch das Blut sprudelt ihr aus dem rechten Ohr. Es schäumt leicht im ersten Moment. Der Schaum wie ein leichter rosa Überzug, der sich aber schnell verflüchtigt.

Die hellrote Fläche schlängelt sich langsam weiter in Richtung Mittellinie.
Ich fühle den Puls an ihrem Hals. Schwach, doch ich meine ihn spüren zu können.
Ob sie atmet? Ich weiss es nicht. Aber der Puls ist da. Das ist das wichtigste.
Ich schaue auf. Neben mir steht eine Ältere Frau und ein junges Mädchen. Selbst sicher nicht Älter als die verunglückte.

Sie hält einen Verbandkasten in den Armen, klammert sich an ihm fest wie ein Ertrunkener an einem Wrackstück.
Als könne er sie vor dem was sie sieht beschützen. Ihr Blick ist wie erstarrt auf die Frau in meinen Armen gerichtet.
Hinter mir ruft jemand nach einer Decke und kurz darauf legt jemand eine alte Wolldecke über die Beine der Frau.

Ich fühle erneut den Puls. - und noch mal - ich finde ihn nicht mehr!  Fühle ich an der richtigen Stelle?
Panik macht sich in mir breit.
Erneut schaue ich zu den Menschen, die an ihren Fahrzeugen stehen. Bestimmt ein Dutzend mittlerweile.
“Ist irgendein Arzt hier?”, brülle ich wie von Sinnen hinüber. Irgend jemand mit einer medizinischen Ausbildung? Krankenschwester, was auch immer.

Eine Frau löst sich von den anderen ab und eilt zu mir.
“Ja ich habe mal Krankenschwester gelernt”, sagt sie. “Aber ich bin schon einige Jahre raus aus dem Beruf”.

“Egal!”, sage ich. Und bin etwas erleichtert, eine sicherlich  fachkundigere Person als ich es bin, bei mir zu haben.
“Fühlen Sie bitte den Puls! Finden Sie ihn?”
Ich mache ihr Platz, sie hockt sich neben die nun auf dem Rücken liegende Verletzte und sucht den Puls.

Nach wenigen Sekunden schaut sie mich an und schüttelt den Kopf. “Nein ich finde da auch keinen Puls”

“SCHEISSE” rufe ich. Und bin froh eine Krankenschwester neben mir zu haben, die nun weiss, was zu tun ist.

“Was machen wir denn jetzt?”, fragt mich die Krankenschwester!!!!

Wut, Frust und Panik schlagen wie eine Welle über mir zusammen. Bilder aus dem Erste-Hilfe-Kurs gehen mir durch den Kopf, der gefühlte Lichtjahre zurückliegt.
Die “Krankenschwester” sitzt immer noch dämlich aus der Wäsche guckend neben der Verunfallten, als ich mich auf die andere Seite  hinknie und den Pullover der jungen Frau hochschiebe. Aus dem Ohr kommt kein Blut mehr nach.
Ich spüre, wie meine Knie nass werden, wie sich das Blut der Frau in den Stoff meiner Hose zieht. Lauwarm - klebrig.

Wo setze ich an? Ah da. Ich lege den Handballen an die richtige Stelle und sehe meine blutigen Hände.

“Hier sind Aidshandschuhe”, höre ich ein leises Stimmchen von der  Seite. Das junge Mädchen mit dem Verbandkasten hält mir ein Paar Einweghandschuhe vor die Nase.
“So ein Quatsch! Jetzt ist das auch egal”, ranze ich sie an und beginne zu pumpen.
Die Krankenschwester ist verschwunden. Wieder zurück zu ihrem Auto. Raus aus der Situation.

Beim zweiten oder dritten Mal Pumpen spüre ich, wie es plötzlich leichter nachgibt unter meinen Händen.
Begleitet von einem leisen Knacksen. Das Brustbein schien durch. Oder doch eine Rippe? Egal. Hauptsache pumpen.

Ab dem Moment begann es zu blubbern. Mit jedem Druck spürte ich, wie es im Brustkorb blubberte. Ich bildete mir sogar ein, es zu hören. Ob es wirklich zu hören war? Ich weiss es nicht. Aber ICH hörte es.
Ich konnte vor meinem geistigen Auge das Blut sehen, das sich in ihrem Körper gesammelt hatte. Und das mit jedem Druck von mir hin und  her bewegt wurde.

Sekundenlange Pause, Puls: nicht da. Weiter!

“Soll ich mal übernehmen?” höre ich die Stimme eines Mannes.
Ich mache im Platz und er führt die Herzdruckmassage von der anderen Seite weiter.
Aber drückt er nicht zu weit unten? Drückt er tief genug rein?
Nach wenigen Handgriffen schiebe ich ihn beiseite und mache selbst weiter.
Meine Panik ist verschwunden. Die Welt besteht nur noch aus dem Eindrücken des Brustkorbes dieser Frau.
Und dem Blubbern - und dem Blut unter und an meinen Beinen, das langsam erkaltet.

Komm schon, bitte, mach kein Scheiss. Bitte Mädchen komm, komm, höre ich mich selbst leise vor mich hinsprechen.

Wieder fühle ich den Puls. Nichts.

Ich schaue hoch und sehe in die fragenden und recht gefassten Augen der älteren Frau. Ich schüttele den Kopf.
“Das hat alles keinen Zweck”, sage ich ihr.  “Da ist alles voller Blut im Brustkorb”, das spüre ich. Aber ich mache weiter.
“Wo bleibt der Notarzt?”

Aus den Augenwinkeln sehe ich aus der Ferne blaue Lichter näher kommen. Ich pumpe weiter.
Endlos lange erscheint mir die Zeit, bis die Lichter endlich nah genug sind und Menschen aus dem Fahrzeug auf mich zueilen.
Ich pumpe weiter.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Eine Frau vom Rettungsteam.

“Ich übernehme jetzt”, sagt sie, und wie ein eingespieltes Team übergebe ich an die Fachfrau, die unverzüglich die Herzdruckmassage  weiterführt.

Ich trete ein paar Schritte zurück.
Wieder spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. “Hast du gut gemacht!”, sagt eine Männerstimme.
“WIE WOLLEN SIE DAS WISSEN? Sind sie etwa Arzt?”, motze ich ihn lautstark an.
“Nein”, sagt er. “Aber ich bin Feuerwehrmann. Ich hätte es nicht besser machen können. Ich war dabei, seit du mit der Herzmassage begonnen hast”.

“Warum haben Sie das dann nicht gemacht?”, rufe ich verzweifelt.
“Du musstest etwas tun. Du wolltest etwas tun. Und wenn du etwas falsch gemacht hättest oder keine Kraft mehr zum Pumpen gehabt hättest,  hätte ich übernommen!”

Und recht hatte er. Ich hätte nicht einfach daneben stehen können.

Mein Blick schweift über die Unfallstelle. Und ich sehe zum ersten Mal die Ausmasse der Zerstörung.
Der Lupo ist nicht mehr als solcher zu erkennen. Der Unterboden  aufgerissen wie eine Konservendose. Die Front so vollständig zerstört,  dass selbst der Motor nur noch zu erahnen ist. Rund um das Auto liegen  Scherben, Autoteile, eine Sonnenbrille, der zweite Schuh. Etwas Kleingeld. Ein kleines Plüschtier mit Herzchen im Arm.

Dann fällt mein Blick ins Wageninnere. Der Gurt des Fahrersitzes hängt ordentlich an der Seite hinter der Türzarge.
Griffbereit zum Anschnallen.
Die Tür durch den Aufschlag des Körpers verbogen.
Ich hocke mich auf den Seitenstreifen, rauche eine Zigarette, die mir in die Hand gedrückt wird und beobachte mit einigen Metern Abstand, wie die Rettungskräfte versuchen, das Leben in die junge Frau  zurückzubringen.

Die ältere Frau, die ich schon vorher bei der Verunfallten sah, ist  bei mir und nimmt mich in den Arm. Ich kenne sie nicht. Aber es tut gut und wirkt ehrlich.
Irgendwann legen die Rettungskräfte die junge Frau auf eine Trage und  bringen sie in den Rettungswagen. Immer noch beatmend, immer noch die Hoffnung nicht aufgebend.

Einige Zeit später spüre ich abermals eine Hand auf meiner Schulter.
Ein Feuerwehrmann steht neben mir. Er trägt ein Schild auf der Brust auf dem das Wort “Notfallseelsorger” steht.

“Sie hat es nicht geschafft”, höre ich ihn sagen.
“Ich weiss”, sage ich.
Denn sie war in meinen Armen gestorben.

Noch über eine Stunde verbrachte ich an der Unfallstelle. Nicht weit entfernt sah ich die Lichter meines Hauses.
Jeden Tag würde ich nun mehrmals an dieser Stelle vorbeifahren.

Ich holte mein Handy heraus, schaltete es ein, 3 Anrufe in Abwesenheit. Von zu hause. Ich rief meinen Mann und schilderte kurz und  knapp, wo ich bin und was geschehen ist.
Er hatte sich schon grosse Sorgen gemacht, als er kurz nachdem ich gefahren bin, vom Fenster aus Blaulicht sah.
In meinem Auftrag rief er bei der Firma an, bei der ich einen Termin hatte, um abzusagen und um mich zu entschuldigen.

Den Rest der Zeit verbrachte ich bei Kaffee und Zigarette in der Gesellschaft einer Frau der Freiwilligen Feuerwehr in einem  Mannschaftsbulli. Dabei redeten wir über Familie, Privates und alles Mögliche. Nur nicht über den Unfall. Das hätte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht gekonnt und gewollt. Auch wenn es etwas befremdlich war, direkt am Unfallort über belanglose Dinge zu reden. Ich war noch nicht bereit über den Unfall zu sprechen, und das spürte auch die Frau von der  Feuerwehr.

Der Kaffee wurde vom nahegelegenen Restaurant herübergebracht.
Immer noch habe ich vom Blut verschmierte Hände und eine blutdurchweichte Hose.
Aber seltsamerweise empfinde ich keinen Ekel. Nur eine seltsame Leere in mir.

Schliesslich begebe ich mich auf den Heimweg. Den Wagen lasse ich  stehen. Es sind nur wenige hundert Meter und dank der Abschleppwagen ist eh kein Durchkommen in dem Moment. Die nette Frau, die mich nach dem Unfall umarmt hat, begleitet mich bis zur Haustür.

Als ich nach Hause komme, sitzen meine drei Männer beim Abendbrot.
Ich ziehe meine Hose aus, wasche mich und ziehe trockene Kleidung an.
Als mein Mann mich in den Arm nimmt, wehre ich ihn ab.

Nein, nicht jetzt!! Ich will nicht vor den Kindern weinen! Ich könnte es ihnen nicht erklären.

Also reisse ich mich zusammen bis die Kinder im Bett sind. Erst dann berichte ich meinem Mann die Geschehnisse und weine. Ich weine um eine fremde Frau. Einen Menschen, mit dem ich nie gesprochen habe.

In den Nächten darauf schlafe ich seltsamerweise völlig traumlos. Doch tagsüber kommen mir immer wieder die Bilder hoch.

Wenn ich eine Sirene höre, zieht es sich in mir zusammen. Und bei  jedem Fahrzeug vor mir, das ein Überholmanöver startet oder etwas zu  schnell unterwegs ist, bekomme ich Panik.

Nach 2 Tagen gebe ich dem Druck meines Mannes nach, mich mit dem Seelsorger der Feuerwehr zu treffen.

Wozu? ”Denke ich mir?” Ich habe doch schon drüber geredet! Mehrmals!
Was soll das, das Ganze noch mal zu erzählen?

Als der Seelsorger noch am gleichen Abend vor der Tür steht, erkenne ich ihn als den wieder, der mir die Nachricht vom Tod der Frau überbrachte.

Über 2 Stunden redeten wir. Und es tat wider Erwarten gut! Ich musste nicht darüber nachdenken WIE ich es ausdrücke, oder ob ich meinen Gegenüber durch zu direkte Wortwahl erschrecken würde.
Danach fühle ich mich deutlich besser.

3 Monate sind seitdem vergangen. Die Bilder wurden nach und nach weniger. Dann schrieb ich alles noch mal auf und fühlte mich danach wie kurz nach dem Unfall. Aber schon am nächsten Morgen fühlte ich mich nochmals besser.

Vergessen werde ich diesen Abend wohl nie. Und jeden Tag fahre ich mindestens 2 mal an der Unfallstelle vorbei.
Manchmal halte ich an und zünde die Grabkerze am Kreuz neu an, wenn sie erloschen ist.
Es war etwas, das ich nicht noch mal erleben möchte. Doch ich würde immer wieder so handeln.
Und bin dankbar dafür, wie ich an der Unfallstelle von den Rettungskräften aufgefangen wurde.

Doch das beklemmende Gefühl bei unvorsichtigen Fahrmanövern anderer  und das mehrfache Kontrollieren des Anschnallgurtes aller Insassen vor Fahrtantritt wird wohl bleiben.

 

Gedanken eines Feuerwehrmannes

Ich wünschte, DU könntest den Kummer der Familie sehen, die nach Hause kommt und ihr Haus und ihre Habseligkeiten beschädigt oder sogar zerstört vorfindet.

Ich wünschte, DU könntest fühlen, wie es ist, ein brennendes Schlafzimmer nach eingeschlossenen Kindern abzusuchen, wenn die Flammen über Deinen Kopf hinweg schlagen.

Ich wünschte, DU könntest die Furcht in den Augen einer Ehefrau um 3 Uhr morgens sehen, wenn ich ihrem 40 Jahre alten Ehemann nach einem schweren Verkehrsunfall den Puls fühle und keinen finde.
Ich beginne mit Herz-Lungen-Wiederbelebung, hoffe, wider besseren Wissens, ihn zurückzuholen, aber ich weiß, dass es zu spät ist.
Aber seiner Frau und seiner Familie muss ich das Gefühl geben, dass alles Mögliche getan wurde.

Ich wünschte, DU könntest den unvergleichlichen Geruch von brennenden Isolierungen, den Geschmack von Ruß auf Deinen Schleimhäuten, das Gefühl der intensiven Hitze, die durch Deine Ausrüstung dringt, das Geräusch der lodernden Flammen und die Beklemmung, absolut nichts durch diesen dichten Rauch zu sehen, nachempfinden:
Sensationen, an die ich mich zu sehr gewöhnt habe, mit denen ich zu sehr vertraut geworden bin.

Ich wünschte, DU könntest verstehen, wie es ist, am Morgen zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, nachdem Du den Großteil der Nacht, heiß und wieder nass durchgeschwitzt, bei einem Großfeuer verbracht hast.

Ich wünschte, DU könntest meine Gedanken lesen, wenn ich zu einem entstehenden Feuer gerufen werde:
ist es ein falscher Alarm oder ein fortgeschrittenes, atmendes Feuer?
Wie ist das Gebäude konstruiert? Welche Gefahren erwarten mich? Sind Menschen eingeschlossen?

Ich wünschte, DU könntest im Notarztwagen dabei sein, wenn der Arzt das hübsche 5 Jahre alte Mädchen für tot erklärt, nachdem ich zuvor 25 Minuten lang versucht habe, es am Leben zu halten:
sie wird nie zu ihrem ersten Date gehen können oder jemals wieder die Worte "Ich liebe dich, Mama" sagen können.

Ich wünschte, DU könntest die Frustration im Führerhaus des Löschfahrzeuges fühlen:
der Maschinist drückt seinen Fuss wieder und wieder den Schalter des Presslufthorns, wenn Du vergeblich versuchst, Dir Vorfahrt an einer vorfahrtberechtigten Kreuzung oder im dichten Verkehrsstau zu verschaffen.
Wenn Du uns brauchst, wann auch immer es ist, Deine ersten Worte nach unserem Eintreffen werden sein:
"Es hat ja fast eine Ewigkeit gedauert bis ihr hier wart!"

Ich wünschte, DU könntest meine Gedanken lesen, wenn ich helfe, eine junge Frau aus den zertrümmerten Resten ihres Wagens zu ziehen:
Was wäre, wenn es meine Schwester, meine Freundin oder eine Bekannte ist?
Wie werden ihre Eltern reagieren, wenn vor ihrer Tür ein Polizist steht, der ihre Mütze in den Händen hält?

Ich wünschte, DU könntest wissen, wie es sich anfühlt nach Hause zu kommen, meine Eltern und Familie zu begrüßen, aber nicht das Herz zu haben, ihnen zu erzählen, dass ich beinahe von meinem letzten Einsatz nicht zurückgekommen wäre.

Ich wünschte, DU könntest die physische, emotionale und mentale Belastung von stehen gelassenem Essen, verlorenem Schlaf und verpasster Freizeit vorstellen, zusammen mit all den Tragödien, die meine Augen gesehen haben.

Ich wünschte, Du könntest in das Gesicht des 18-jährigen Feuerwehrmannes blicken, der noch die Bilder des schrecklichen Verkehrsunfalls vor Augen hat.
Wenn Du ihn am nächsten Tag fragst, wie es geht, kannst Du genau sehen, dass er den letzten Einsatz immer noch nicht verdaut hat.

Ich wünschte, DU könntest verstehen, wie es ist, einen kleinen Jungen auf Deinem Arm zu tragen.
Er fragt: "Ist meine Mama O.K.?" und es ist Dir unmöglich, ihm in die Augen zu schauen, ohne dass Dir die Tränen in die Augen steigen und Du weißt nicht, was Du sagen sollst.
Oder wie es, ist einen alten Freund zurückzuhalten, der mit ansehen muss, wie sein bester Kumpel in den Rettungswagen getragen wird und Du weißt genau, dass er nicht angeschnallt war.

Ich wünschte, DU könntest die Kameradschaft und die Befriedigung, eben gerettet oder jemandes Eigentum geschützt zu haben, erfahren und da zu sein zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um aus der Gefahr oder der Hektik und dem Chaos heraus Ordnung zu schaffen.

Ich wünschte, DU könntest fühlen, wie es ist, wenn wir zu einem Einsatz gerufen werden, wir vor einem brennenden Gebäude stehen und nicht genügend Personal zur Verfügung haben.
Wie Du dann siehst, dass das Haus bis auf die Grundmauern abbrennt und die Eigentümer verzweifelt daneben stehen.

Solange DU dieses Leben nicht durchgemacht hast, wirst Du niemals wirklich verstehen oder einschätzen können, wer ich bin, was wir sind oder was unsere Arbeit wirklich bedeutet...
 



Diese Idioten von der Feuerwehr

Stellen Sie sich bitte einmal vor, dass Sie an einer Hauptverkehrsstraße wohnen. Nachts um drei Uhr fährt – mit Tatü Tata und Radau - die Feuerwehr, der Rettungsdienst, das Technische Hilfswerk oder eine der anderen Hilfsorganisationen mit ihren grösstenteils freiwilligen und somit "unbezahlbaren" Helfern an Ihrem Haus vorbei.

Sie werden sofort wach und denken eventuell: ...
... "Hoffentlich kommen die noch rechtzeitig?"
oder...
... "Na ja, nach §35 StVO müssen die ja mit Blaulicht und Martinshorn fahren"
oder (am wahrscheinlichsten)...
"Müssen diese Idioten wieder so einen Krach machen?"

Aber haben Sie auch schon einmal daran gedacht, ...
... dass diese Idioten vor fünf Minuten noch genauso friedlich in ihrem Bett schlummerten wie Sie?
oder
... dass diese Idioten auch um sechs Uhr früh wieder raus müssen, wie Sie?
oder
... dass diese Idioten, wenn sie nach zwei oder drei Stunden wieder ins Bett fallen sowieso nicht mehr schlafen können? Weil man halt nicht so gut schläft, wenn man gerade einen Menschen aus einem brennenden Haus oder verunfallten Fahrzeug gerettet hat!

Aber wahrscheinlich werden Sie gar nicht wach, weil unsere Fahrer aus Rücksicht auf Sie trotz § 35 StVO das Martinshorn auslassen (und so auf eigenes Risiko gegen die StVO verstossen), oder weil Sie nicht an einer Hauptverkehrsstraße wohnen. Dann haben Sie eben Glück und brauchen sich nicht über die "Idioten " von der Feuerwehr, dem Rettungsdienst, dem DRK, dem THW oder von den anderen Hilfsorganisationen aufzuregen.

... ausserdem denken DIE inzwischen schon selbst:
"Warum mache ich IDIOT das eigentlich???"
 

 

Der Schutzengel

Zwei Engel wurden auf die Erde gesandt. der Jüngere, um etwas zu lernen und der Ältere, um dem Jüngeren etwas beizubringen.

An ihrem ersten Abend auf der Erde suchten sie sich in einem Villenviertel der Stadt eine Unterkunft für die Nacht.
Das Ehepaar der grössten Villa war sehr unfreundlich, ließ die beiden aber ein. Sie boten ihnen jedoch nicht die freien Gästezimmer im Haupthaus an, sondern verwiesen die beiden Engel auf den kalten Keller.
Als sich der ältere Engel gerade auf dem kalten Boden des Kellers ausgestreckt hatte, entdeckte er in der Wand ein Loch.
Er stand auf und schloss es.

"Warum hast du das gemacht? Die Herrschaften sind doch auch nicht nett zu uns!", fragte jüngere Engel.
"Weißt du, die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.", antwortete der ältere Engel nur und legte sich schlafen.

Am folgenden Abend suchten sich die beiden Engel eine Unterkunft auf dem Land.
Ein freundlicher Bauer und seine Frau freuten sich über den Besuch der Engel und teilte sogar das wenige Essen, was sie noch hatten, mit den beiden Besuchern. Sie ließen die Engel sogar in ihren Betten schlafen und machten es sich vor dem Kamin bequem.

Am nächsten Morgen, als die beiden Engel in die Küche traten, fanden Sie den Bauern mit Tränen in den Augen vor.
"Was ist denn passiert?", fragte da der jüngere Engel.
"Unsere Kuh, unsere einzige Kuh ist tot.", jammerte die Bäuerin und tröstete ihren Mann.

Der jüngere Engel nahm den älteren Engel zur Seite.
"Warum hast du die Kuh sterben lassen? Als wir bei den reichen Leuten waren, hast du ihnen geholfen, indem du ihnen sogar noch das Loch in der Wand zu gemacht hast und diesen Armen Leuten lässt du ihre einzige Kuh versterben? Ich verstehe dich einfach nicht.", sagte der Jüngere und sah seinen Lehrer fassungslos an.
"Nun, die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Als ich bei den geizigen Leuten das Loch in der Kellerwand entdeckte, entdeckte ich auch, dass dahinter ein Haufen Gold liegt. Damit die Herrschaften nicht in Habgier verfallen, habe ich das Loch geschlossen, damit sie das Gold nie finden werden. Letzte Nacht, du hast seelenruhig geschlafen, kam der Todesengel an unser Bett, um die Frau des Bauern mitzunehmen. Ich bot ihm dafür die Kuh an und er nahm diese dann auch mit. Ich sagte doch, die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.", antwortete der ältere Engel und sah mitleidig zu den traurigen Bauen.
Der jüngere Engel sagte gar nichts.

 

Als Gott den Rettungsassistent schuf

Als der Herr den Rettungsassistent erschuf, war er bereits 6 Tage in Verzug, als ein Engel erschien und sagte: "Du gibst dir ziemlich viel Mühe mit diesem Modell."

Gott antwortete: "Hast du dir das Anforderungsprofil angesehen?
Ein Rettungsassistent muss in der Lage sein, einen Verletzten einen nassen Grashügel in der Dunkelheit hochzutragen, allen möglichen Gefahren trotzen, um zu einem sterbenden Kind zu gelangen, Wohnungen betreten, die selbst das Gesundheitsamt meiden würde, ohne dabei seine Einsatzkleidung zu verschmutzen."

"Er muss in der Lage sein, das dreifache seines eigenen Gewichts zu tragen, in zerstörte Autos klettern, ohne wirklich Platz zu haben und während einer Wiederbelebung eines Babys die trauernde Mutter trösten, obwohl er weiß, dass ihr Kind nie wieder atmen wird."

"Er muss in mentaler Topverfassung sein, ohne Schlaf funktionieren, nur mit schwarzem Kaffee und halb gegessenen Mahlzeiten. Ausserdem muss er sechs paar Hände haben."

Der Engel schüttelte den Kopf und sagte langsam:
"Sechs paar Hände....niemals."

"Es sind nicht die Hände, die mir Probleme bereiten," sagte der Herr,
"Es sind die drei Paar Augen, die jeder Rettungsassistent haben muss." "Und das bereits im Standardmodell?" fragte der Engel.

Der Allmächtige nickte. "Ein Paar sieht offene Verletzungen beim Blutabnehmen während er den Patienten fragt ob er HIV positiv ist (obwohl er das bereits weiß und sich wünscht einen Bürojob angenommen zu haben), das nächste Paar gehört an die Seite des Kopfes, um auch die Sicherheit für seinen Partner gewährleisten zu können. Das letzte Paar Augen gehört hier nach vorne, um vertrauensvoll auf einen blutenden Patienten sehen zu können und ihn zu versichern, dass alles nicht so schlimm sei."

"Gott, ich bitte dich" sagte der Engel und berührte seinen Ärmel, "ruhe dich aus und mache morgen weiter."

"Das ist unmöglich," sagte der Allmächtige, "ich habe bereits ein Modell entworfen, das ohne Zwischenfälle einen 120 Kilo schweren Betrunkenen hinter dem Steuer hervorbekommt und dabei seine fünfköpfige Familie vom Gehalt eines Angestellten im öffentlichen Dienst ernähren kann."

Der Engel umkreiste den Rettungsassistenten sehr langsam.
"Kann er denken?" fragte er. "Darauf kannst du wetten," antwortete der Herr.

"Er kennt die Symptome von über 100 Krankheiten; weiß Medikamentendosierungen aus dem Schlaf; intubiert, defibrilliert und führt Wiederbelebung an Orten aus, die jeder niedergelassene Arzt meiden würde und behält trotzdem seinen Sinn für Humor." "Dieses Modell hat außerdem außergewöhnliche Körperbeherrschung. Er kann mit einem Polytrauma umgehen, eine verängstigte Rentnerin überzeugen, die Türe zu öffnen, die Angehörigen eines Selbstmörders trösten, um danach in der Zeitung zu lesen, wie die unfähigen Rettungsdienstler es nicht geschafft haben, rechtzeitig bei dem Verletzten zu sein, obwohl das Haus in einer Straße ohne Straßenschild lag, keine Hausnummer angebracht war und niemand die Telefonnummer für einen Rückruf hatte"

Schlußendlich beugte sich der Engel zum Rettungsassistenten und fuhr mit dem Finger über die Wange. "Hier ist eine undichte Stelle," verkündete er. "Ich habe dir doch gesagt, dass du versuchst, zu viel in das Modell hineinzupacken."
"Das ist keine undichte Stelle," antwortete Gott, "Das ist eine Träne." "Wofür ist diese Träne?"
fragte der Engel.

"Das ist für verborgene Emotionen, für Patienten, die sie verzweifelt versucht haben zu retten, für ihre Überzeugung, einen Unterschied machen zu können im Wettlauf um das Leben eines Patienten." "Du bist ein Genie," sagte der Engel.

Der Herr schaute traurig.
"Ich habe die Träne nicht geschaffen," sagte er.

 


 

besucherzähler